Beitrag von Robert Habeck <\/a> <\/p>\n\n\n\nRichtige Ziele<\/h2>\n\n\n\n Die Einf\u00fchrung einer Garantiesicherung, die Hartz IV \u00fcberwindet, nicht stigmatisierend ist und allen Menschen eine selbstbestimmte Teilhabe an der Gesellschaft garantiert, unterst\u00fctze ich voll und ganz. Die Ziele sind v\u00f6llig richtig, vor allem: Alle, die einen Anspruch haben, sollen diesen auch erhalten und (zus\u00e4tzliche) Erwerbst\u00e4tigkeit soll st\u00e4rker als heute belohnt werden. Beides ist eine Frage der Gerechtigkeit! Es ist ein Skandal, dass beides heute unzureichend der Fall ist. Auch die Zusammenlegung der Leistungen, die heute das Existenzminimum abdecken sollen, ist sinnvoll, um L\u00fccken im sozialen Netz zu schlie\u00dfen. In diesem Beitrag m\u00f6chte ich mittels einiger erg\u00e4nzender Bemerkungen zur Umsetzung des Vorschlags von Robert Habeck darlegen, wie die genannten Ziele auch tats\u00e4chlich erreicht werden k\u00f6nnen.<\/p>\n\n\n\n
Automatische Auszahlung statt Bed\u00fcrftigkeitspr\u00fcfung<\/h2>\n\n\n\n Bed\u00fcrftigkeitsgepr\u00fcfte Sozialleistungen haben \u00fcblicherweise drei Nachteile: Erstens gibt es immer Menschen, die diese Leistungen nicht erhalten (so genannte verdeckt Arme), obwohl sie einen Anspruch haben. Heute sind das in Deutschland mindestens vier bis f\u00fcnf Millionen Menschen, die also noch unter Hartz IV-Niveau leben. Auf deren Kosten spart der Staat heute etwa 5 bis 10 Milliarden Euro. Zweitens werden bei bed\u00fcrftigkeitsgepr\u00fcften Leistungen \u00fcblicherweise eigene Einkommen (nahezu) vollst\u00e4ndig angerechnet. Bei Hartz IV werden zwar die ersten 100 Euro nicht angerechnet, jeder weitere Euro aber zun\u00e4chst zu 80%, ab 1000 Euro Verdienst sogar zu 90 oder 100%. Durch das Zusammenspiel der verschiedenen Leistungen kann es sogar zu einer Grenzbelastung von \u00fcber 100% kommen, d.h. das Nettoeinkommen sinkt dann mit zus\u00e4tzlichem Einkommen. Wenn die Anrechnung von Einkommen innerhalb eines bed\u00fcrftigkeitsgepr\u00fcften Systems verringert wird, folgt daraus, dass noch mehr Menschen diese Leistungen beziehen. Werden zus\u00e4tzlich die Leistungen erh\u00f6ht \u2013 was f\u00fcr ein Leben in W\u00fcrde notwendig ist \u2013 steigt die Zahl der Menschen mit bed\u00fcrftigkeitsgepr\u00fcften Leistungen noch weiter. Bed\u00fcrftigkeitsgepr\u00fcfte Sozialleistungen haben aber, drittens, den Nachteil, dass sie \u00fcblicherweise mit einer Stigmatisierung der Bezieher*innen einhergehen. Meines Erachtens liegt das daran, dass sich Menschen bed\u00fcrftig erkl\u00e4ren und beim Staat um Unterst\u00fctzung bitten m\u00fcssen. Die Abschaffung der Sanktionen alleine w\u00fcrde daran nur wenig \u00e4ndern. Ziel muss es deswegen sein, die Zahl der Menschen, die auf eine bed\u00fcrftigkeitsgepr\u00fcfte Leistung angewiesen sind, soweit wie m\u00f6glich zu verringern. In dem Papier von Robert hei\u00dft es: \u201eNach wie vor gibt es eine Antragsstellung und die Bed\u00fcrftigkeit muss nachgewiesen werden\u201c. Das w\u00fcrde aber zu einem Anstieg der Menschen mit bed\u00fcrftigkeitsgepr\u00fcften Leistungen f\u00fchren und h\u00e4tte genau die beschriebenen Nachteile, so dass die genannten Ziele gerade nicht erreicht w\u00fcrden.<\/p>\n\n\n\n
Deswegen ist es zentral, dass die Garantiesicherung so ausgestaltet wird, dass sie m\u00f6glichst ohne Bed\u00fcrftigkeitspr\u00fcfung, also automatisch ausgezahlt wird.<\/strong><\/p>\n\n\n\nEinkommensunabh\u00e4ngige Auszahlung<\/h2>\n\n\n\n Am einfachsten ist eine automatische Auszahlung, wenn sie einkommensunabh\u00e4ngig erfolgt, wie das heute zum Beispiel beim Kindergeld der Fall ist. Das Kindergeld ist \u00fcbrigens im Einkommensteuerrecht geregelt und ist eigentlich ein Steuerfreibetrag, der in einen Auszahlungsbetrag umgewandelt wird, allerdings nur teilweise. F\u00fcr Familien mit h\u00f6heren Einkommen ist die Steuerersparnis durch die Kinderfreibetr\u00e4ge h\u00f6her als das Kindergeld. Die Gr\u00fcnen fordern stattdessen, dass die Kinderfreibetr\u00e4ge in einen Auszahlbetrag umgewandelt werden, der mindestens der h\u00f6chsten Steuerersparnis entspricht, und dieser Auszahlbetrag wie das Kindergeld f\u00fcr jedes Kind ausgezahlt wird. Dieses Verfahren kann auch f\u00fcr Erwachsene durchgef\u00fchrt und der Grundfreibetrag in einen Auszahlbetrag umgewandelt werden, der dann an alle Erwachsenen in gleicher H\u00f6he ausgezahlt wird. Sinnvoll w\u00e4re dann gleich f\u00fcr Erwachsene und Kinder einen Auszahlbetrag in H\u00f6he des entsprechenden Regelsatzes zu nehmen. Dann w\u00e4re der Regelbedarf tats\u00e4chlich f\u00fcr Alle gedeckt \u2013 ohne Bed\u00fcrftigkeitspr\u00fcfung. Einer menschenunw\u00fcrdigen und fehlgeleiteten Stigmatisierung wird dadurch der Boden entzogen. Dieser Auszahlbetrag ersetzt die Kinderfreibetr\u00e4ge und den Grundfreibetrag in der Einkommensteuer sowie evtl. noch weitere Freibetr\u00e4ge. Der Steuertarif kann so angepasst werden, dass sich die Nettoeinkommen f\u00fcr die meisten Steuerzahler*innen nicht \u00e4ndern, und steuerfinanzierte Transferleistungen verringern sich entsprechend.<\/p>\n\n\n\n
Einkommensanrechnung durch das Finanzamt<\/h2>\n\n\n\n Statt den Regelbedarf einkommensunabh\u00e4ngig an alle auszuzahlen, ist es auch denkbar, den Betrag so in den Steuertarif zu integrieren, dass zun\u00e4chst das komplette Einkommen ohne Freibetr\u00e4ge versteuert, und anschlie\u00dfend der Regelbedarf von der Steuerlast abgezogen wird. Das Resultat ist dann die zu zahlende Steuer. F\u00fcr den Fall, dass der Regelbedarf gr\u00f6\u00dfer ist als die Steuerlast, ist dieser Betrag negativ und es erfolgt eine Zahlung vom Finanzamt als so genannte negative Einkommensteuer. Genau diese Idee war der Kern des Grundeinkommensmodells des Gr\u00fcnen Landesverbands Baden-W\u00fcrttembergs, das auf der Bundesdelegiertenkonferenz in N\u00fcrnberg 2007 eine Zustimmung von immerhin 42% bekommen hat. Zus\u00e4tzliche Leistungen f\u00fcr Kosten der Unterkunft oder Mehrbedarfe sollten nach diesem Konzept weiterhin am tats\u00e4chlichen Bedarf orientiert und bed\u00fcrftigkeitsgepr\u00fcft erfolgen.<\/p>\n\n\n\n
Nachteil einer Ausgestaltung als negative Einkommensteuer ist allerdings, dass damit nicht alle automatisch die Leistung erhalten. Bei abh\u00e4ngig Besch\u00e4ftigten k\u00f6nnte dies indirekt \u00fcber den Arbeitgeber erfolgen. Selbst\u00e4ndige oder Personen, die nicht erwerbst\u00e4tig sind, m\u00fcssten die Leistung doch wieder beantragen, sie m\u00fcssten ihr Einkommen f\u00fcr das n\u00e4chste Jahr absch\u00e4tzen und sich verpflichten eine Steuererkl\u00e4rung zu machen. Dadurch besteht wieder die Gefahr von verdeckter Armut. F\u00fcr den Regelbedarf w\u00e4re ein einkommensunabh\u00e4ngiger Auszahlbetrag die einfachere L\u00f6sung und es g\u00e4be niemanden mehr, bei dem der Regelbedarf, also der Betrag den wir Allen zugestehen, nicht gedeckt w\u00e4re.<\/p>\n\n\n\n
Was ist mit den Wohnkosten?<\/h2>\n\n\n\n Robert Habeck schl\u00e4gt in seinem Papier vor, dass die Wohnkosten ebenfalls pauschaliert in der Garantiesicherung enthalten sein sollten. Im Gegensatz zum Regelbedarf, der \u00fcberall in der Bundesrepublik die gleiche H\u00f6he hat, soll die Wohnkostenpauschale vom Wohnort und au\u00dferdem vom Haushaltstyp abh\u00e4ngig sein. Die Bedarfspr\u00fcfung w\u00e4re dann stark vereinfacht und die Wohnkostenpauschale k\u00f6nnte sogar weitgehend automatisch ausgezahlt werden, wenn sie als negative Einkommensteuer ausgestaltet wird und das Finanzamt die Einkommenspr\u00fcfung durchf\u00fchrt.<\/p>\n\n\n\n
Eine Pauschalierung der Wohnkosten kann allerdings dazu f\u00fchren, dass das Existenzminimum nicht gedeckt ist. Dieser Fall tritt ein, wenn die tats\u00e4chlichen Wohnkosten h\u00f6her ausfallen als die Pauschale. Wie kann das das verhindert und gleichzeitig die Zahl der bed\u00fcrftigkeitsgepr\u00fcften Leistungen begrenzt werden? Denkbar w\u00e4re eine Wahlm\u00f6glichkeit zwischen der Abdeckung der tats\u00e4chlichen Kosten, die dann entsprechend belegt und beantragt werden m\u00fcssen, und einer Wohnkostenpauschale, die Personen ohne Nachweis der tats\u00e4chlichen Wohnkosten erhalten. Eine L\u00f6sung \u00fcber das Finanzamt und eine Auszahlung als negative Einkommensteuer ist zumindest f\u00fcr Personen ohne oder nur mit geringen Einkommen dann nicht geeignet. Anders ist dies nach meinem Daf\u00fcrhalten f\u00fcr Personen, die ein etwas h\u00f6heres Einkommen haben. Es gibt heute eine relativ gro\u00dfe Zahl von Erwerbst\u00e4tigen, die aufstockend Arbeitslosengeld II beziehen oder darauf einen Anspruch haben. Dabei ist das f\u00fcr diese Gruppe die v\u00f6llig falsche Leistung. F\u00fcr Erwerbst\u00e4tige, die mehr als geringf\u00fcgig besch\u00e4ftigt sind, macht es Sinn, die Aufstockung \u00fcber das Finanzamt durchzuf\u00fchren. Das k\u00f6nnte so erfolgen, dass f\u00fcr die Berechnung ein pauschaliertes Existenzminimum, inkl. pauschalierter Wohnkosten wie heute beim Grundfreibetrag in der Einkommensteuer, verwendet wird. Dabei sollte die Anrechnung von eigenem Einkommen deutlich schw\u00e4cher sein als heute. Eine Anrechnung von 70% wie in dem Papier von Robert Habeck halte ich f\u00fcr eine sinnvolle und finanzierbare Gr\u00f6\u00dfenordnung. Dadurch w\u00fcrde dann das aufgestockte Einkommen signifikant \u00fcber dem Existenzminimum liegen, so dass damit auch die tats\u00e4chlichen Wohnkosten abgedeckt sein d\u00fcrften.<\/p>\n\n\n\n
Fazit<\/h2>\n\n\n\n Durch einen einkommensunabh\u00e4ngigen Auszahlbetrag in H\u00f6he des Regelbedarfs f\u00fcr alle Erwachsenen und alle Kinder sowie einer zus\u00e4tzlichen einkommensabh\u00e4ngigen Leistung zur Deckung des kompletten Existenzminimums durch das Finanzamt f\u00fcr Erwerbst\u00e4tige, k\u00f6nnten bed\u00fcrftigkeitsgepr\u00fcfte Leistungen deutlich verringert werden. Diese w\u00e4ren nur noch f\u00fcr eine kleine Gruppe notwendig und sind auf Wohnkosten sowie Mehrbedarfe begrenzt. Durch die Einf\u00fchrung einer Wahlm\u00f6glichkeit zwischen einer Wohnkostenpauschale und einer Leistung, die die tats\u00e4chlichen Wohnkosten abdeckt, k\u00f6nnte zudem die Bedarfspr\u00fcfung noch vereinfacht werden. So k\u00f6nnen die Ziele der Garantiesicherung tats\u00e4chlich erreicht werden.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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Garantiesicherung! Aber wie? - Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn<\/title>\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n\t \n\t \n\t \n