{"id":2807,"date":"2020-05-11T11:44:00","date_gmt":"2020-05-11T11:44:00","guid":{"rendered":"https:\/\/1528-1.pm-domains.de\/?p=2807"},"modified":"2021-09-01T12:49:11","modified_gmt":"2021-09-01T12:49:11","slug":"mehr-zeit-fuer-kinder-ermoeglichen","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/strengmann-kuhn.de\/mehr-zeit-fuer-kinder-ermoeglichen\/","title":{"rendered":"Gastbeitrag | Mehr Zeit f\u00fcr Kinder erm\u00f6glichen"},"content":{"rendered":"\n
<\/p>\n\n\n\n
Die „Stimme der Familie“ ist eine familien- politische Fachzeitschrift mit Beitr\u00e4gen aus Politik, Praxis und Wissenschaft. Sie erscheint sechsmal im Jahr und wendet sich an alle, die sich f\u00fcr Familienpolitik und die Arbeit des Familienbundes der Katholiken interessieren. F\u00fcr das Heft 2\/2020 schrieb Dr. Strengmann-Kuhn den Beitrag „Mehr Zeit f\u00fcr Kinder erm\u00f6glichen“.<\/strong><\/p>\n\n\n\n Wenn \u00fcber Vereinbarkeit von Familie und Beruf gesprochen wird, geht es oft vorrangig um das Ziel, die Erwerbsbeteiligung von M\u00fcttern zu erh\u00f6hen. In dieser Debatte finden sowohl die Kinder als auch die V\u00e4ter kaum bis keine Beachtung. Und selbst wenn der Fokus auf den M\u00fcttern liegt, so geht es vor allem um die Bed\u00fcrfnisse der Unternehmen. Die Interessen der Wirtschaft stehen also \u00fcber den Interessen der Menschen. Das ist der falsche Ansatz: Die Wirtschaft muss den Menschen dienen \u2013 nicht umgekehrt.<\/p>\n\n\n\n Allen voran sollte es um die Interessen der Kinder gehen. F\u00fcr die Kinder ist, erstens, das Wichtigste, dass die Eltern mehr Zeit f\u00fcr sie haben, und zwar beide Eltern, sofern vorhanden. \u201eMehr Zeit f\u00fcr Kinder\u201c ist ein h\u00e4ufig zu h\u00f6render Slogan von Politikerinnen und Politikern. Das politische Handeln der Verantwortlichen sieht h\u00e4ufig aber anders aus. Zweitens brauchen Kinder neben mehr Zeit mit den Eltern aber auch Zeit mit anderen Kindern. Drittens ist im Interesse der Kinder Chancengleichheit ein zentrales Ziel.<\/p>\n\n\n\n Auch f\u00fcr die Eltern[1]<\/a> ist Zeit f\u00fcr und mit ihren Kindern von gro\u00dfer Bedeutung. Aber auf der anderen Seite ist auch der Zugang zum Arbeitsmarkt wichtig. Darum sollte es eigentlich bei dem Slogan \u201eVereinbarkeit von Beruf und Familie\u201c gehen: um das Gleichgewicht zwischen Zeit f\u00fcr die Kinder und Zeit f\u00fcr Erwerbst\u00e4tigkeit sowie, nicht zu vergessen, auch Zeit f\u00fcr sich selbst und Zeit f\u00fcr andere, also die Partnerin oder den Partner, Bekannte, Freundinnen und Freunde sowie gesellschaftliches und ehrenamtliches Engagement. Diese Work-Life-Balance ist h\u00e4ufig im Ungleichgewicht, und zwar f\u00fcr M\u00fctter und V\u00e4ter in der Regel in unterschiedlicher Art und Weise.<\/p>\n\n\n\n M\u00fctter w\u00fcnschen sich im Durchschnitt mehr Stunden pro Woche erwerbst\u00e4tig zu sein. Gleichzeitig tragen sie den Hauptanteil von unbezahlter Sorgearbeit. Vor allem in Westdeutschland sind M\u00fctter zu einem relevanten Teil nur geringf\u00fcgig oder gar nicht besch\u00e4ftigt. F\u00fcr die betroffenen Frauen hat das gravierende \u00f6konomische Konsequenzen: der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt ist schwierig, Frauen haben generell ein geringeres Einkommen als M\u00e4nner und nach einer kinderbedingten Erwerbsunterbrechung ist \u00fcblicherweise auch das zuk\u00fcnftige Einkommen geringer. Das alles zusammen f\u00fchrt zus\u00e4tzlich dazu, dass Renten gering ausfallen und damit Altersarmut steigt. Schon bei sozialversicherungspflichtiger Teilzeit, die sich M\u00fctter h\u00e4ufig w\u00fcnschen, sind diese \u00f6konomischen Folgewirkungen weitaus geringer.<\/p>\n\n\n\n V\u00e4ter w\u00fcnschen sich hingegen im Durchschnitt weniger Stunden pro Woche erwerbst\u00e4tig zu sein. Auch bei M\u00e4nnern mit Kindern ist nach wie vor die Vollzeiterwerbst\u00e4tigkeit Standard. F\u00fcr V\u00e4ter, die zugunsten von Kinderbetreuung ihre Arbeitszeit flexibler gestalten wollen oder m\u00fcssen, ist die Akzeptanz sowohl bei Arbeitgebern als auch bei Kolleginnen und Kollegen, h\u00e4ufig immer noch nicht so gro\u00df wie sie sein sollte.<\/p>\n\n\n\n <\/p>\n\n\n\n Die Politik sollte die Rahmenbedingungen so gestalten, dass Eltern selbstbestimmt entscheiden k\u00f6nnen: In welchem Umfang wollen\/m\u00fcssen sie erwerbst\u00e4tig sein? Wie teilen sie sich untereinander Erwerbs- und Familienarbeitszeit sowie Zeit f\u00fcr sonstige Aktivit\u00e4ten untereinander fair auf? Eine zentrale Basis f\u00fcr eine selbstbestimmte Entscheidung ohne \u00f6konomische Zw\u00e4nge ist, dass das Existenzminimum in jedem Fall sichergestellt wird.<\/p>\n\n\n\n F\u00fcr die Kinder sollte deswegen das Existenzminimum durch eine Kindergrundsicherung abgedeckt und garantiert sein. F\u00fcr die Eltern ist vor allem wichtig, dass eine h\u00e4ufig sowohl von M\u00fcttern als auch V\u00e4tern gew\u00fcnschte sozialversicherungspflichtige Teilzeiterwerbst\u00e4tigkeit das eigene Existenzminimum abdeckt. Bei Alleinerziehenden ist das besonders wichtig. Alleinerziehende sind n\u00e4mlich mehrheitlich erwerbst\u00e4tig, aber meist nicht in Vollzeit, was im Sinne des Ziels \u201eMehr Zeit f\u00fcr Kinder\u201c durchaus w\u00fcnschenswert ist. Allerdings reicht bei Teilzeit h\u00e4ufig das Einkommen nicht aus.<\/p>\n\n\n\n Allen Eltern, ob allein oder gemeinsam erziehend, sollte grunds\u00e4tzlich Teilzeiterwerbst\u00e4tigkeit erm\u00f6glicht werden, sofern sie dies w\u00fcnschen. Dies ist im Interesse der Kinder, weil sie mehr Zeit mit beiden Elternteilen bekommen. Und es ist im Interesse der Eltern, weil es st\u00e4rker den W\u00fcnschen nach Work-Life-Balance entspricht. Um diesem Ziel n\u00e4her zu kommen, m\u00fcssen Anreize f\u00fcr geschlechtsspezifische Arbeitsteilung wie das Ehegattensplitting oder die Subventionierung der Minijobs abgebaut werden. Eine st\u00e4rkere Angleichung der Erwerbsarbeitszeiten von V\u00e4tern und M\u00fcttern hat auch eine relevante Auswirkung auf eine Verringerung des Gender Pay Gaps. Das liegt daran, dass zurzeit Arbeitgeber davon ausgehen, dass Frauen eher wegen Kindererziehung die Arbeitszeit reduzieren als M\u00e4nner. Dies ist einer der Gr\u00fcnde, warum Frauen trotz gleicher Qualifikation schlechter bezahlt werden. Wenn die Wahrscheinlichkeit einer Erwerbsunterbrechung bzw. Erwerbsarbeitsreduzierung vom Geschlecht unabh\u00e4ngiger wird, verringert das auch die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern. In Deutschland ist der Stundenlohn von Frauen immer noch ungef\u00e4hr 20% niedriger als der von M\u00e4nnern. Der Unterschied bei den Monatsl\u00f6hnen ist noch gr\u00f6\u00dfer, weil die Erwerbsarbeitszeit von Frauen im Durchschnitt geringer ist.<\/p>\n\n\n\n Au\u00dferdem braucht es eine Kinderbetreuung, die sowohl den Interessen der Eltern als auch denen der Kinder dient. F\u00fcr die Kinder ist dabei wichtig, dass sie sowohl Zeit mit anderen Kindern verbringen k\u00f6nnen als auch mit den Eltern. Die Qualit\u00e4t der Kinderbetreuung muss nicht nur den aktuellen Bed\u00fcrfnissen der Kinder entsprechen, sondern auch das Ziel der Chancengleichheit verfolgen. Bedeutsam ist hierbei, dass es m\u00f6glichst viele Freir\u00e4ume gibt, bei denen Kinder selbstbestimmt \u00fcber ihre Zeit entscheiden k\u00f6nnen. F\u00fcr die Eltern wiederum ist elementar, dass die Kinderbetreuung einerseits eine mehr als geringf\u00fcgige Besch\u00e4ftigung erm\u00f6glicht. Andererseits geht es aber nicht nur um die Erm\u00f6glichung von Erwerbsarbeit. Die Kinderbetreuung sollte deshalb so gestaltet sein, dass sie ein Gleichgewicht gew\u00e4hrleistet, das aus Zeit mit den Kindern, Erwerbsarbeit, Hausarbeit, Zeit f\u00fcr sich und Zeit f\u00fcr andere, f\u00fcr gesellschaftliches Engagement, Hobbies, f\u00fcr Freundinnen und Freunde sowie f\u00fcr die Partnerin bzw. den Partner besteht. Das Leben ist eben mehr als nur Erwerbsarbeit und Familie. <\/p>\n\n\n\n F\u00fcr die Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen sind also folgende Ziele in den Blick zu nehmen. Erstens geht es darum, dass die Menschen m\u00f6glichst selbstbestimmt entscheiden k\u00f6nnen. Das gilt f\u00fcr beide Elternteile und die Kinder. Zweitens sollte in allen Lebenslagen das Existenzminimum garantiert werden. Das ist auch die Mindestvoraussetzung, die f\u00fcr eine selbstbestimmte Entscheidung aller Familienmitglieder \u00fcber Umfang und Aufteilung der Erwerbst\u00e4tigkeit n\u00f6tig ist. Drittens ist Geschlechtergerechtigkeit ein wichtiges Ziel. Das betrifft sowohl das Einkommen als auch die Verteilung von Erwerbsarbeit, Hausarbeit, Zeit f\u00fcr sich selbst und Zeit f\u00fcr andere. Viertens m\u00fcssen Betreuungsangebote f\u00fcr Kinder so ausgestaltet werden, dass sie die Chancengleichheit verbessern.<\/p>\n\n\n\n Es ist klar, dass es nicht m\u00f6glich ist, diese Ziele f\u00fcr alle immer vollumf\u00e4nglich zu erreichen. Manche Ziele k\u00f6nnen im Widerspruch zueinander stehen oder die Interessen der Einzelnen sind schwer miteinander vereinbar. Diese Abw\u00e4gung muss letztlich innerhalb der Familie gef\u00e4llt werden. Aufgabe der Politik ist es, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die innerfamili\u00e4ren notwendigen Entscheidungen bestm\u00f6glich den genannten Zielen entsprechen. Dazu z\u00e4hlt die Garantie des Existenzminimums f\u00fcr Kinder und Eltern, die Erm\u00f6glichung von sozialversicherungspflichtiger gut bezahlter Teilzeit f\u00fcr V\u00e4ter und M\u00fctter sowie den Abbau von Anreizen f\u00fcr geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Au\u00dferdem sind Ver\u00e4nderungen bei der Kinderbetreuung notwendig.<\/p>\n\n\n\n <\/p>\n\n\n\n Um das Existenzminimum f\u00fcr alle Kinder zu garantieren, ist eine Kindergrundsicherung am besten geeignet. Derzeit gibt es vier unterschiedliche Leistungen f\u00fcr die Mindestabsicherung von Kindern:<\/p>\n\n\n\n 1) Alle Eltern erhalten f\u00fcr ihre Kinder das Kindergeld. Das Kindergeld ist dabei eigentlich keine Sozialleistung, sondern ist eine Vorauszahlung des Kinderfreibetrags der Einkommensteuer und ist deshalb auch im Einkommensteuergesetz geregelt.<\/p>\n\n\n\n 2) Wer ein hohes Einkommen hat, profitiert von den Kinderfreibetr\u00e4gen st\u00e4rker als vom Kindergeld, und zwar umso mehr je h\u00f6her das Einkommen ist. Das Finanzamt pr\u00fcft im Rahmen der Einkommensteuererkl\u00e4rung automatisch, ob das Kindergeld oder der Kinderfreibetrag f\u00fcr die Familie g\u00fcnstiger ist und reduziert gegebenenfalls die Steuerschuld bzw. zahlt dadurch zu viel gezahlte Steuern zur\u00fcck. <\/p>\n\n\n\n 3) Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen, weil sie kein oder nur ein geringes Einkommen haben, bekommen f\u00fcr ihre Kinder ein Sozialgeld, das im Sozialgesetzbuch II (SGB II) geregelt ist. Es geh\u00f6rt also zu den \u201eHartz IV\u201c-Leistungen.<\/p>\n\n\n\n 4) Eltern mit etwas h\u00f6herem Einkommen als das Grundsicherungsniveau haben die M\u00f6glichkeit, einen Kinderzuschlag zu erhalten, falls dieser dazu f\u00fchrt, dass die Familie keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld II und Sozialgeld hat.<\/p>\n\n\n\n Dieses derzeitige \u201eSystem\u201c hat eine ganze Reihe von Nachteilen. Die einzelnen Leistungen sind unzureichend aufeinander abgestimmt. So f\u00fchrt eine Kindergeld-Erh\u00f6hung nicht automatisch dazu, dass auch Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen, mehr Geld bekommen, weil das Kindergeld als vorrangige Leistung komplett angerechnet und somit die Leistung aus dem SGB II reduziert wird. Das ist durchaus als Ungerechtigkeit im bestehenden System anzusehen. Zudem erhalten Eltern mit mittleren Einkommen weniger finanzielle Unterst\u00fctzung als Eltern mit hohen Einkommen. Ein wesentliches Problem ist, dass Eltern mit geringen Einkommen die Leistungen nicht automatisch ausgezahlt bekommen. Dadurch entsteht verdeckte Armut bei Familien. Das gilt insbesondere f\u00fcr Eltern, die Anspruch auf den Kinderzuschlag h\u00e4tten, diesen aber nicht in Anspruch nehmen, weil sie beispielsweise nicht \u00fcber diese Leistung informiert sind oder sie den \u00c4mtergang scheuen.<\/p>\n\n\n\n Das alles ist ungerecht und deshalb gibt es den Vorschlag einer Kindergrundsicherung, die diese vier Leistungen durch eine ersetzt. Das w\u00fcrde allen Kindern zu Gute kommen und nicht mehr die Kinder von Besserverdienenden bevorteilen. Die urspr\u00fcngliche Idee des \u201eB\u00fcndnis f\u00fcr Kindergrundsicherung\u201c bestand darin, den Kinderfreibetrag in voller H\u00f6he an alle Eltern als zu versteuerndes Einkommen auszuzahlen. Alle Eltern, die ein Einkommen unter dem Grundfreibetrag haben, erhielten die Kindergrundsicherung also in voller H\u00f6he. Netto w\u00fcrde die Leistung dann mit zunehmendem Einkommen abnehmen. Die Reichsten w\u00fcrde die gleiche Leistung wie bisher erhalten. Alle anderen h\u00e4tten eine h\u00f6here Unterst\u00fctzung. Kinderarmut w\u00fcrde dadurch sehr stark absinken. Nachteil dieses sehr sch\u00f6nen und effektiven Vorschlags ist jedoch, dass er relativ teuer ist.<\/p>\n\n\n\n B\u00fcndnis 90\/ Die Gr\u00fcnen haben einen Vorschlag f\u00fcr eine Kindergrundsicherung vorgelegt, der deutlich weniger kostet, aber die wesentlichen Ziele trotzdem erreicht. Er besteht aus einem Garantiebetrag, der f\u00fcr alle gleich hoch ist und der h\u00f6chsten Steuerersparnis durch die Kinderfreibetr\u00e4ge entspricht. Damit wird erreicht, dass Familien mit mittleren Einkommen so viel f\u00fcr ihre Kinder bekommen wie Familien mit hohen Einkommen. Au\u00dferdem f\u00fchrt das dazu, dass auch Familien mit geringen Einkommen zumindest diesen Betrag erhalten. Er liegt allerdings unter dem s\u00e4chlichen Existenzminimum. Deswegen gibt es bei der gr\u00fcnen Kindergrundsicherung einen zus\u00e4tzlichen einkommensabh\u00e4ngigen Betrag, der soweit m\u00f6glich, automatisch ausgezahlt werden soll. Dieser sorgt dann zusammen mit dem Garantiebetrag daf\u00fcr, dass das Existenzminimum f\u00fcr alle Kinder garantiert ist. <\/p>\n\n\n\n <\/p>\n\n\n\n F\u00fcr die weitere Ausgestaltung der politischen Ma\u00dfnahmen muss zwischen den einzelnen Entwicklungsphasen der Kinder unterschieden werden, weil sich die Bed\u00fcrfnisse sowohl der Kinder als auch der Eltern in den verschiedenen Phasen ver\u00e4ndern. Entsprechend hat das Auswirkungen f\u00fcr die Anforderungen an die Kinderbetreuung und f\u00fcr die Frage, wie die Garantie der Existenzsicherung der Eltern gestaltet werden sollte.<\/p>\n\n\n\n Am Anfang des Lebens sollte zumindest immer ein Elternteil f\u00fcr das Kind da sein. Um das zu unterst\u00fctzen, gibt es Elternzeit und Elterngeld. Insbesondere das Elterngeld muss jedoch reformiert werden. 1986 wurde der Vorl\u00e4ufer des Elterngeldes, das Erziehungsgeld, eingef\u00fchrt. Das Erziehungsgeld hatte eine einheitliche H\u00f6he von 600 DM. Dieses wurde 2007 durch das Elterngeld ersetzt, dessen H\u00f6he vom vorherigen Einkommen abh\u00e4ngig ist. Das Elterngeld hat aber auch einen Mindestbetrag, der der H\u00f6he des fr\u00fcheren Erziehungsgeldes entspricht. Dieser Betrag ist allerdings seit seiner Einf\u00fchrung 1986 (!) nie angepasst worden. Seinerzeit entsprach das der H\u00f6he der durchschnittlichen Sozialhilfeleistung. Eine Forderung ist daher, das Mindestelterngeld zumindest auf den Regelbedarf der Grundsicherung anzuheben.<\/p>\n\n\n\n Neben der H\u00f6he des Mindestelterngeldes gibt es weiteren Reformbedarf beim Elterngeld, um die Schieflage bei der Inanspruchnahme von M\u00fcttern und V\u00e4tern aufzuheben. Erfreulicherweise steigt der Anteil der V\u00e4ter, die Elternzeit nehmen und Elterngeld beziehen. Allerdings ist der Anteil immer noch deutlich geringer als der der M\u00fctter. V\u00e4ter beziehen vor allem deutlich k\u00fcrzer Elterngeld. Die heutige Regelung ist so, dass die Bezugsdauer mindestens 12 Monate betr\u00e4gt. Wenn beide Elternteile mindestens 2 Monate Elterngeld beziehen, verl\u00e4ngert sich diese Zeit um 2 Monate auf 14 Monate. Umgangssprachlich werden diese zwei Monate manchmal auch Partnermonate oder V\u00e4termonate genannt, was sie nicht sind, denn auch V\u00e4ter k\u00f6nnen wie M\u00fctter bis zu 12 Monate Elterngeld erhalten. Ein popul\u00e4rerer Vorschlag ist, diese von zwei auf vier oder sechs Monate zu erh\u00f6hen, um eine l\u00e4ngere Elternzeit, sowohl insgesamt als insbesondere der V\u00e4ter, zu erreichen. Das ginge zwar in die richtige Richtung, ich halte das aber f\u00fcr unzureichend, u.a. weil es immer noch suggeriert, dass im Standardfall ein Elternteil, meist die Mutter, 12 Monate Elterngeld bezieht, und der andere nur die Partnermonate. Den st\u00e4rksten Anreiz daf\u00fcr, dass V\u00e4ter im gleichen Umfang wie M\u00fctter Elterngeld beziehen, w\u00fcrde dadurch erreicht, dass beide einen individuellen Anspruch auf die gleiche Anzahl von Monaten erhalten, z.B. 12 Monate. Zeiten, die nicht in Anspruch genommen werden, w\u00fcrden dann \u00e4hnlich wie die heutigen \u201ePartnermonate\u201c entfallen. Eine Zwischenl\u00f6sung ist, dass die maximale Zeit f\u00fcr den Bezug des Elterngeldes gedrittelt wird. Bei Paarhaushalten hat jeder Elternteil Anspruch auf ein Drittel der Monate und das dritte Drittel kann frei zwischen den Eltern aufgeteilt werden. B\u00fcndnis 90\/ Die Gr\u00fcnen schlagen 8 Monate pro Elternteil vor und 8 weitere Monate, die frei aufgeteilt werden k\u00f6nnen. Bei allen Vorschl\u00e4gen w\u00fcrden Alleinerziehende die Gesamtzeit Anspruch auf Elterngeld erhalten.<\/p>\n\n\n\n Eine solche Regelung erm\u00f6glicht, dass in den ersten beiden Lebensjahren zumindest ein Elternteil die ganze Zeit zu Hause sein kann. Es sollte aber so ausgestaltet sein, dass es den Eltern auch erlaubt, das so zu organisieren, dass sich die Zeiten \u00fcberlappen oder, dass beide in Teilzeit erwerbst\u00e4tig sind und sich die Zeit zu Hause teilen. Ob und in welchem Ma\u00dfe das Kind in den ersten beiden Lebensjahren au\u00dferhalb der Kernfamilie betreut werden soll, k\u00f6nnten die Eltern dann selbstbestimmter entscheiden als heute, weil das dann nicht oder zumindest weniger davon abh\u00e4ngig ist, dass die Eltern erwerbst\u00e4tig sein m\u00fcssen. Au\u00dferdem kann die Entscheidung st\u00e4rker davon abh\u00e4ngig gemacht werden, was f\u00fcr das Kind gut ist. Insbesondere in den ersten beiden Lebensjahren ist die Art und der Umfang einer Kinderbetreuung auch von der individuellen Entwicklung des Kindes abh\u00e4ngig und sollte nicht von \u00f6konomischen Zw\u00e4ngen abh\u00e4ngig sein.<\/p>\n\n\n\n Ab einem bestimmten Alter ist eine \u00f6ffentliche Kinderbetreuung mit anderen f\u00fcr alle Kinder gut. Die meisten Kinder gehen ab drei Jahren im Kindergarten. Im Kindergarten sollte die Betreuung so angeboten werden, dass dann beide Elternteile einer sozialversicherungspflichtigen Teilzeiterwerbst\u00e4tigkeit nachgehen k\u00f6nnen, wenn sie es wollen. Das hei\u00dft erstens, dass die Kinder mindestens 6 Stunden betreut werden sollten. Zweitens ist es sinnvoll, dass die Betreuungszeiten auch so flexibel sind, dass Eltern auch einer Erwerbt\u00e4tigkeit nachgehen k\u00f6nnen, die nachmittags oder abends stattfindet.<\/p>\n\n\n\n Zwischen der maximalen Inanspruchnahme des Elterngeldes (zurzeit 14 Monate) und dem Beginn des Kindergartens (in der Regel ab 3 Jahren) klafft \u00fcbrigens eine L\u00fccke, die geschlossen werden sollte. Dieses kann durch Verl\u00e4ngerung der Bezugszeit des Elterngeldes und\/ oder durch Absenkung des \u00fcblichen Alters der Kinderbetreuung erfolgen. Ich halte eine Verl\u00e4ngerung des Elterngeldes auf bis zu 24 Monaten, wie B\u00fcndnis 90\/ Die Gr\u00fcnen es vorschlagen, bei gleichzeitigem Herabsetzen des Kindergartenalters von 3 auf 2 Jahre f\u00fcr eine sinnvolle L\u00f6sung. Das gew\u00e4hrleistet, dass eine erfolgte Erwerbsunterbrechung nicht zu lange dauert und Eltern in den ersten beiden Jahren freier \u00fcber die Art der Kinderbetreuung entscheiden k\u00f6nnen. Zumindest aber bedarf es eines Ausbaus der Kinderbetreuung zwischen Beendigung des Elterngeldes und des Eintritts in den Kindergarten.<\/p>\n\n\n\n Leider kommt es immer noch vor, dass die Betreuungssituation in der Grundschule schlechter ist als in der Kindergartenphase. Das f\u00fchrt dazu, dass insbesondere M\u00fctter, seltener V\u00e4ter, nach der Kindergartenphase ihre Erwerbsarbeitszeit reduzieren oder sogar ganz aufgeben m\u00fcssen. Daher ist ein Ausbau der Nachmittagsbetreuung f\u00fcr Grundschulkinder so wichtig. Sp\u00e4testens f\u00fcr die weiterf\u00fchrenden Schulen sollte dann eine Ganztagsschule \u00fcblich sein. Aus Gr\u00fcnden der Chancengleichheit sollte das idealerweise aber schon in der Grundschulphase die Regel sein. Dabei ist allerdings wichtig, dass das auch mit einem Ganztagsschulkonzept stattfindet, bei der es zwischendurch gen\u00fcgend zeitliche Freir\u00e4ume f\u00fcr die Kinder gibt. Dazu geh\u00f6rt auch, dass es nach der Schule dann keine Hausaufgaben mehr gibt, sondern \u00dcbungsphasen in den Ganztagsschulbetrieb eingebaut werden. So steht dann nach der Schule mehr Zeit mit den Eltern oder anderen Kindern zur freien Verf\u00fcgung.<\/p>\n\n\n\n <\/p>\n\n\n\n In den ersten beiden Lebensjahren des Kindes sollte es erm\u00f6glicht werden, dass mindestens ein Elternteil ganz mit der Erwerbsarbeit aussetzt oder beide nur Teilzeit erwerbst\u00e4tig sind. Das Ganze sollte finanziell durch ein verbessertes Elterngeld abgesichert werden. Im Kindergartenalter sollte die Betreuung so gestaltet sein, dass einerseits beide Elternteile zumindest einer sozialversicherungspflichtigen Teilzeit nachgehen k\u00f6nnen. Um mehr Zeit f\u00fcr die Kinder zu erm\u00f6glichen, sollten andererseits gerade in dieser Phase aber auch nicht beide Elternteile vollzeiterwerbst\u00e4tig sein m\u00fcssen. Auch w\u00e4hrend der Schulzeit sollte eine Reduzierung der Erwerbsarbeitszeit f\u00fcr die Eltern m\u00f6glich sein. All dies gilt in besonderem Ma\u00dfe f\u00fcr Alleinerziehende.<\/p>\n\n\n\n Voraussetzung daf\u00fcr ist, dass auch bei einer sozialversicherungspflichtigen Teilzeiterwerbst\u00e4tigkeit das Existenzminimum garantiert ist. Eine Erh\u00f6hung des Mindestlohns, der notwendig ist, damit Vollzeiterwerbst\u00e4tige einen Lohn \u00fcber dem Existenzminimum haben, hilft bei Teilzeiterwerbst\u00e4tigkeit nur wenig, da auch bei h\u00f6heren Stundenl\u00f6hnen der Monatslohn noch unter dem Existenzminimum liegt. In diesen F\u00e4llen erfolgt derzeit die Existenzsicherung \u00fcber die \u201eGrundsicherung f\u00fcr Arbeitsuchende\u201c, also das Arbeitslosengeld II. Dieses ist aber aus mehreren Gr\u00fcnden f\u00fcr Eltern nicht geeignet, die freiwillig teilzeiterwerbst\u00e4tig sind, um mehr Zeit f\u00fcr die Kinder zu haben. Sie suchen ja gar keine (zus\u00e4tzliche) Erwerbst\u00e4tigkeit und brauchen also keine Unterst\u00fctzung f\u00fcr eine Arbeitsuche und sollten auch nicht vom Jobcenter gezwungen oder gedr\u00e4ngt werden k\u00f6nnen, eine Vollzeiterwerbst\u00e4tigkeit anzunehmen. Dar\u00fcber hinaus wirkt der Bezug von Arbeitslosengeld II f\u00fcr viele abschreckend, weil er h\u00e4ufig mit Stigmatisierung verbunden und die Bed\u00fcrftigkeitspr\u00fcfung sehr b\u00fcrokratisch ist. Beides zusammen f\u00fchrt dazu, dass auch Menschen, die eigentlich einen Anspruch darauf h\u00e4tten, die Leistung nicht beantragen. Das ist insbesondere bei Erwerbst\u00e4tigen der Fall. Je nach Untersuchung beziehen nur ein Drittel bis maximal die H\u00e4lfte der berechtigten Erwerbst\u00e4tigen erg\u00e4nzendes Arbeitslosengeld II. Zudem wissen viele Erwerbst\u00e4tige gar nicht, dass sie beim Jobcenter Arbeitslosengeld II beantragen k\u00f6nnen. Wenn sie Arbeitslosengeld II beziehen gibt es schlie\u00dflich das Problem, das zus\u00e4tzliche Erwerbst\u00e4tigkeit das verf\u00fcgbare Einkommen nur unzureichend oder sogar gar nicht erh\u00f6ht. Das liegt daran, dass zus\u00e4tzliches Einkommen zu 80% bis 100% angerechnet wird. Diese so genannte Transferentzugsrate hat zur Folge, dass eine Ausweitung der Erwerbst\u00e4tigkeit nur zu einem geringen oder gar keinem Einkommenszuwachs f\u00fchrt. Durch das Zusammenspiel von verschiedenen Sozialleistungen kann die Transferentzugsrate sogar \u00fcber 100% beantragen. Bei Alleinerziehenden mit einem Kind und durchschnittlichen Wohnkosten ist es zum Beispiel so, dass das Nettoeinkommen ab einem Einkommen ab 1700 Euro brutto mit zus\u00e4tzlichem Einkommen zun\u00e4chst sinkt. Erst bei einem Einkommen von 2700 Euro brutto ist dann das Nettoeinkommen wieder so hoch wie mit 1700 Euro brutto.<\/p>\n\n\n\n Um diese Probleme zu vermeiden, ist die Garantie des Existenzminimums \u00fcber die Einkommensteuer eine gute L\u00f6sung. Eine Zahlung durch das Finanzamt, die auch negative Einkommensteuer genannt wird, gibt es bereits in anderen L\u00e4ndern, zum Beispiel in Gro\u00dfbritannien oder den USA in Form eines so genannten Tax Credits f\u00fcr Erwerbst\u00e4tige. Ein Tax Credit bzw. eine negative Einkommensteuer sollte so ausgestaltet sein, dass geringes Einkommen zumindest f\u00fcr Erwerbst\u00e4tige, die mehr als geringf\u00fcgig (also im Minijob) besch\u00e4ftigt sind, so aufgestockt wird, dass das Nettoeinkommen \u00fcber dem Existenzminimum liegt und zus\u00e4tzliches Einkommen im Gegensatz zu heute auch zu einem sp\u00fcrbar h\u00f6heren Einkommen f\u00fchrt. Bei abh\u00e4ngig Besch\u00e4ftigten kann die Auszahlung der negativen Einkommensteuer \u00e4hnlich wie die Abf\u00fchrung einer positiven Einkommensteuer \u00fcber den Arbeitgeber erfolgen. Selbst\u00e4ndige m\u00fcssten einen einfachen Antrag an das Finanzamt stellen, um eine Zahlung zu erhalten. In jedem Fall sollte die Aufstockung sp\u00e4testens im Rahmen der Einkommensteuererkl\u00e4rung erfolgen, indem \u00e4hnlich wie heute beim Kinderfreibetrag eine automatische so genannte G\u00fcnstigerpr\u00fcfung durch das Finanzamt erfolgt.<\/p>\n\n\n\n Zusammen mit einer Kindergrundsicherung w\u00fcrde das dazu f\u00fchren, dass bei Alleinerziehenden, die einer sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbesch\u00e4ftigung nachgehen, das Existenzminimum garantiert ist. Das Gleiche gilt bei Paarhaushalten, wenn beide Elternteile mehr als geringf\u00fcgig besch\u00e4ftigt sind. In diesen F\u00e4llen m\u00fcssten also Eltern in der Regel nicht mehr zum Jobcenter, um erg\u00e4nzendes Arbeitslosengeld II zu beantragen.<\/p>\n\n\n\n <\/p>\n\n\n\n Viele Kinder und Eltern w\u00fcnschen sich \u201eMehr Zeit f\u00fcr Kinder\u201c. Ganz offensichtlich gibt es hier ein Defizit und politischen Handlungsbedarf. Aufgabe von Politik ist, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie den Bed\u00fcrfnissen der Menschen gerecht werden und sie selbstbestimmt und ohne \u00f6konomische Zw\u00e4nge entscheiden k\u00f6nnen. Wenn die Kinder noch klein sind, sollte es deswegen erm\u00f6glicht werden, dass immer wenigstens ein Elternteil nicht erwerbst\u00e4tig sein muss, am besten so, dass sich V\u00e4ter und M\u00fctter die Zeit f\u00fcr die Kinder gerecht aufteilen. Sind die Kinder gr\u00f6\u00dfer, ist es zentral, sozialversicherungspflichtige Teilzeit zu erm\u00f6glichen, durch bessere Kinderbetreuung auf der einen Seite und durch eine bessere Existenzsicherung auf der anderen Seite. Dadurch werden die Rahmenbedingungen f\u00fcr ein besseres und selbstbestimmteres Gleichgewicht zwischen Erwerbsarbeit und Leben bei den Eltern und gleichzeitig f\u00fcr mehr Zeit f\u00fcr die Kinder geschaffen. <\/p>\n\n\n\nInteressen von Kindern, M\u00fcttern und V\u00e4tern<\/h2>\n\n\n\n
Politische Ziele<\/h2>\n\n\n\n
Politische Ma\u00dfnahmen<\/h2>\n\n\n\n
Kindergrundsicherung f\u00fcr alle Kinder<\/h4>\n\n\n\n
Ma\u00dfnahmen nach Entwicklungsphasen<\/h2>\n\n\n\n
Kleinkinder<\/h4>\n\n\n\n
Kindergartenkinder<\/h4>\n\n\n\n
Schulkinder<\/h4>\n\n\n\n
Garantie des Existenzminimums bei Teilzeiterwerbst\u00e4tigkeit<\/h2>\n\n\n\n
Fazit<\/h2>\n\n\n\n
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