<\/div>\n\n\n\n
taz: Herr Strengmann-Kuhn, der Bundestag hat die Schuldenaufnahme f\u00fcr ein sogenanntes Sonderverm\u00f6gen in H\u00f6he von 100 Milliarden Euro bewilligt, um die Milit\u00e4rausgaben in den kommenden Jahren zu stemmen. Sind entgegen anders lautender Beteuerungen durch solche Ausgaben so\u00adzia\u00adle Reformen gef\u00e4hrdet?<\/strong><\/p>\n\n\n\nWolfgang Strengmann-Kuhn:<\/strong> Es ist eine sinnvolle Idee, notwendige zus\u00e4tzliche Ma\u00dfnahmen f\u00fcr die Verteidigung aus einem Sonderschuldentopf zu stemmen und nicht aus dem Bundeshaushalt. Ich habe dennoch gegen das Sonderverm\u00f6gen gestimmt, aus mehreren Gr\u00fcnden. Einer der Gr\u00fcnde ist, dass wichtige Ausgaben f\u00fcr die Verteidigung, etwa f\u00fcr die Cybersicherheit, gar nicht im Sonderverm\u00f6gen enthalten sind. Diese mil\u00adliar\u00adden\u00adteuren Ausgaben m\u00fcssen aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden, und das schr\u00e4nkt den Spielraum f\u00fcr andere Projekte, auch f\u00fcr die Armutsbek\u00e4mpfung ein.<\/p>\n\n\n\nDieses Sonderverm\u00f6gen, das ja eigentlich Sonderschulden von 100 Milliarden Euro sind, kostet Zinsen. Au\u00dferdem muss es laut Gesetz sp\u00e4testens ab 2031 zur\u00fcckgezahlt werden. Kommt das dicke Ende in einigen Jahren?<\/strong><\/p>\n\n\n\nDas Sonderverm\u00f6gen muss irgendwann getilgt werden, entweder das geht dann zu Lasten des Bundeshaushalts oder durch neue Schulden, um die Schulden zu tilgen. Die Zinskosten sind derzeit kein Problem, da die Zinsen sehr niedrig sind. Aber wie hoch die Zinsen in zehn Jahren sind, wissen wir nicht. Irgendwann kann die Finanzierung des Sonderverm\u00f6gens zu Lasten von anderen Dingen gehen, aber dieser Zeitpunkt ist durch die Schuldenfinanzierung eben sehr weit nach hinten geschoben.<\/p>\n\n\n\n
Die Ampelkoalition hat zuletzt milliardenteure Entlastungspakete verabschiedet. Gibt es da \u00fcberhaupt noch Spielraum f\u00fcr kommende soziale Reformen? Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat angek\u00fcndigt, die Hartz-IV-Regels\u00e4tze, die dann B\u00fcrgergeld hei\u00dfen, ab Januar 2023 um 10 Prozent erh\u00f6hen zu wollen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat das schon abgelehnt, er will an der Schuldenbremse festhalten und keine Steuern erh\u00f6hen.<\/strong><\/p>\n\n\n\nEine Ausweitung der Leistungen in der Grundsicherung ist sinnvoll und notwendig. Wir Gr\u00fcnen haben schon im Wahlprogramm eine Erh\u00f6hung der Regels\u00e4tze in der Grundsicherung als ersten Schritt um 50 Euro im Monat gefordert, was jetzt auch Hubertus Heil ank\u00fcndigt. Mit der FDP brauchen wir angesichts der gestiegenen Herausforderungen eine ehrliche Debatte zur Finanzsituation: Dazu geh\u00f6rt die Schuldenbremse, aber wir m\u00fcssen auch \u00fcber zus\u00e4tzliche Einnahmen und den Abbau umweltsch\u00e4dlicher Subventionen reden.<\/p>\n\n\n\n
Die FDP will die Sozialausgaben begrenzen, Finanzminister Lindner mahnte f\u00fcr das kommende Jahr zur Ausgabendisziplin.<\/strong><\/p>\n\n\n\nUngeachtet des Sonderverm\u00f6gens haben wir in diesem Jahr im Bundeshaushalt 100 Milliarden Euro mehr an Ausgaben als normalerweise. Wenn wir im n\u00e4chsten Jahr zur Schuldenbremse zur\u00fcckkehren, so wie der Finanzminister das m\u00f6chte, dann m\u00fcssten wir also mindestens 100 Milliarden Euro an Ausgaben wieder reduzieren. Ich w\u00fcsste aber nicht, wie das gehen sollte. Die Ausgaben f\u00fcr Soziales sind nicht \u201enice to have\u201c, \u00adsondern Notwendigkeiten, sonst fliegt uns die Gesellschaft um die Ohren, weil wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht hinkriegen.<\/p>\n\n\n\n
Eine neue sogenannte \u00dcber\u00adgewinnsteuer zur Finanzierung der \u00f6ffentlichen Aufgaben ist im Gespr\u00e4ch. Wird es k\u00fcnftig auch wieder Debatten um h\u00f6here Steuern auf Verm\u00f6gen und Erbschaften geben? Das Wirtschaftsinstitut DIW sieht durch Reformen bei der Erbschaftsteuer, bei der steuer\u00adlichen Belastung von Immobilienverk\u00e4ufen und sehr hohen Ver\u00adm\u00f6gen Einnahmem\u00f6glichkeiten von \u00fcber 20 Milliarden Euro im Jahr f\u00fcr die \u00f6ffentlichen Haushalte.<\/strong><\/p>\n\n\n\nEine \u00dcbergewinnsteuer k\u00f6nnte ein Baustein sein. Zudem sind hohe Einkommen und Verm\u00f6gen, insbesondere das reichste eine Prozent der Bev\u00f6lkerung in Deutschland, \u00adrelativ wenig belastet durch Steuern und Sozialabgaben. Da ist noch Luft nach oben. Um die Herausforderungen zu meistern, m\u00fcssen die Finanzspielr\u00e4ume erweitert werden.<\/p>\n\n\n\n